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AutorenbildSelina Knaul

🇩🇪 370km Quäldich- und richtig Bock d´rauf

Aktualisiert: 6. Aug. 2021


Aktuell hat mein Team Verschnaufpause. Zeit für Un- und Sinniges. Flach rollt gut, aber auch lange – 370 Kilometer von Leipzig nach Berlin und wieder zurück. Die Einen meinen Grundlagentraining, ich Freiheit, Abenteuer. Und was die Männer können, kann ich schon lange.



Ein Wochenende ohne Wettkampf heißt bei mir nicht Füße hochlegen, sondern eigene Ziele verwirklichen. Schon ewig erzähle ich meinem Kumpel, dass ich ihn eines Tages mit dem Rennrad in Berlin besuchen kommen werde. Vergangenes Wochenende war es dann soweit. Grundlagen-Training nennt es mein Trainer, ich nenne es unendliche Freiheit und Abendteuer. Leipzig – Berlin – Leipzig stand auf der Speisekarte und ich hatte einfach nur richtig Bock.


Dies ist nicht meine erste längere Tour allein, ich mag mehrstündige Ausfahrten und integriere regelmäßig 200er in mein Training. Das letzte Mal im Trainingslager im Schwarzwald. Statt Frühjahr war auf der Höhe Ende März stellenweise noch tiefster Winter und so fuhr ich nach 120 Kilometern Team-Training (einschließlich 1.600 hm) die 200 Kilometer voll. Das waren dann zusätzlich noch einmal knapp 1.000 hm auf dem Weg in die Unterkunft in der Nähe des Feldberges. Alles bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.


Damit war dieses Wochenende nicht zu rechnen. Im Gegenteil mich erwarteten hitzige Temperaturen bis zu 34 Grad. Das heißt Vorbereitung ist das A und O. Ich plante die Strecke und überlegte z.B. wo kann ich meine Flaschen auffüllen oder auf welchen Straßen habe ich besonders viel Wald oder einen größeren Bahnhof um bei Unwetter eine Notlösung zu finden?


Endlich ging es los und das mit möglichst wenig Gepäck. Die ersten 45 Kilometer von Leipzig aus begleitete mich meine Trainingspartnerin Romy Kasper (Team Jumbo Visma). Als wir uns trennten und sie ihr Training zurück in Richtung Leipzig fortsetzte, erinnerte sie mich meinen Körper gut zu verpflegen. Nach weiteren 80 Kilometern durch die Dübener Heide und das scheinbar ausgestorbene Sachsen-Anhalt, klingelten mir ihre Worte nur so in den Ohren. Was auf der einen Seite genau das ist wonach ich suche, kilometerlange Einöde, Ruhe und freie Straßen, erwies sich auf der anderen Seite immer mehr als Durststrecke. Ich suchte vergeblich nach einer Tankstelle oder einem Kiosk zum Flaschen auffüllen. Nicht mal einen Friedhof konnte ich in den kleinen Ortschaften finden. Und die Sonne brutzelte um diese Zeit nur so. Jetzt verlor ich auch noch die Route und landete auf einem Feldweg, schon etwas schwarz vor Augen. Hilfe. Doch Panik ist nichts für mich. Ich stellte mich an einen kleinen Birkenbaum um etwas Schatten zu ergattern und schaute auf meinem Handy nach einer anderen Route.



Mit der korrigierten Navigation ging es dann weiter, jetzt wurde mir sogar ein Café angezeigt. Tatsächlich, es hatte sogar geöffnet und war keine Erscheinung! Cola, Kirschkuchen, Flaschen auffüllen und weiter ging es. Immerhin sollten noch rund 40 Kilometer unter die Räder genommen werden. Jetzt wo die Beine langsam müde wurden, ist auch der Gegenwind stärker zu spüren. Ich versuche mich mental abzulenken. Die scheinbar unendlichen Weiten der Natur geben mir weiter Kraft und natürlich spornt mich das Ziel an. Schließlich ist die Stadt Berlin auf den Verkehrsschildern zu lesen. Wahnsinn ich habe es echt geschafft und das mit einem 27er Schnitt. Noch schnell ein Selfie am Stadteingangsschild und dann rein in das städtische Treiben. Den Abend lasse ich mit meinem Kumpel und ein paar Leuten bei einem Picknick im Park ausklingen. Meine Energie reicht gerade noch für eine Runde Frisbee, dann geht es schlafen.


Am nächsten Morgen geht es wieder zurück nach Leipzig. Diesmal habe ich die Route aus Vernunftsgründen etwas geändert. So fahre ich über Luckenwalde, Jüteborg und Torgau, damit ich falls das gemeldete Unwetter früher eintrifft in den Zug steigen kann. Aber in meinem Kopf gibt es nur eins, durchziehen! Denn ich bin nicht die Frau für halbe Sachen. Durch die geänderte Route fiel mir auch die Verpflegung wesentlich leichter. Insgesamt konnte ich drei Mal meine Flaschen befüllen. Landschaftlich war die Strecke nicht weniger schön als am Vortag. Auf ruhigen Straßen erwarteten mich abwechslungsreiche Abschnitte. Mal waren es saftig-gelbe Sonnenblumen, die mich anstrahlten, mal frisch-gepresste Strohballen, mal bunte Blumenwiesen und kurvige Waldabschnitte. Jedoch spürte ich mit jeder weiteren Radumdrehung mein Gesäß mehr und mehr. Wohingegen sich die Beine erst gegen Ende meldeten. Ich verhalf mir mit kleinen Selbstgesprächen und fand in der Musik, die ich hörte sowie dem näherkommenden Leipzig weitere Motivation. Come on, nicht mehr weit! Nach insgesamt 370 Kilometern im Sattel stand ich dann am Sonntagnachmittag wieder freudestrahlend vor meiner Haustür. Flach rollt gut, aber auch lange.




Eine tolle Erfahrung, die ich für die anstehende Deutschland-Tour am 26.08. gut gebrauchen kann. Gemeinsam mit meiner Teamkollegin Rieke bestreite ich die 1. Etappe von Stralsund nach Schwerin (191 km). Dies wird ein ganz besonderes Event, denn wir wollen der gesamten Radsportwelt beweisen zu welcher Leistung wir Frauen fähig sind!


Weitere Fotos zu meiner Leipzig-Berlin-Leipzig-Tour findet ihr auf meinem Instagram-Kanal. Hier erfahrt ihr auch, wie ich mich verpflegt habe.




Beitrag wird redaktionell weiter bearbeitet.



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